Das Berufsbild des virtuellen Assistenten – Teil 1
Als virtueller Assistent (kurz VA) möchte ich euch in meinem ersten Blog-Artikel zunächst mein eigenes Berufsfeld vorstellen. Vielen ist diese junge und moderne Arbeitsform noch kein Begriff, weshalb mir dieses Thema als Start meines Blogs besonders am Herzen liegt. Die universellen Einsatzmöglichkeiten auf Basis moderner Informations- und Kommunikationstechnologien machen den Beruf des VAs zu einem besonders interessanten Arbeitsmodell mit Zukunftspotenzial. Man kann es auch als Gegenentwurf zu veralteten Arbeitsmodellen verstehen, wie diese vor allem in Deutschland vorherrschen.1) 2)
In zwei Teilen stelle ich euch heute zunächst das Grundprinzip und die Entwicklung seit der Entstehung des Berufszweigs vor. In meinem nächsten Artikel werde ich auf die gängigen Tätigkeitsfelder eingehen und zeigen, wie sich VAs vorteilhaft einsetzen lassen.
Das Berufsbild des virtuellen Assistenten – Teil 1
Definition
Ein VA ist in der Regel eine selbstständige Person, die für mehrere Auftraggeber (Unternehmen, Entrepreneure, Start-Ups oder auch Privatpersonen) Aufgaben übernimmt, die diese gerne auslagern möchten. Hierbei handelt es sich vor allem um Aufgaben, die den Auftraggeber vom eigentlichen Kerngeschäft ablenken und unnötige Ressourcen binden. Ein weiterer Grund stellt häufig der Zugriff auf das Expertenwissen des VAs dar, das schlichtweg nicht im eigenen Unternehmen vorhanden ist.
Der wichtigste Unterschied zu vergleichbaren klassischen Berufen wie beispielsweise Beratern oder Sekretären stellt die virtuelle Zusammenarbeit dar. Ein VA arbeitet ortsunabhängig und kommuniziert mit seinen Kunden fast ausschließlich über moderne Kommunikationskanäle. Dabei handelt es sich beispielsweise um Videotelefonie, Projektmanagement-Tools, Cloud-Lösungen oder Remote Desktop-Anwendungen. Telefon und E-Mail können ergänzend genutzt werden. Neben der Kommunikation erfolgt auf diese Weise auch der Austausch von Dokumenten online. Grundsätzlich kann die Zusammenarbeit entweder zeitlich begrenzt auf Projektbasis (z.B. Koordinierung eines Events) oder dauerhaft erfolgen (z.B. regelmäßige Buchhaltung oder Finanzplanung).
Begrifflich abgegrenzt werden muss der VA von Softwarelösungen wie Siri, Google Assistant, Cortana oder Alexa, die häufig ebenfalls unter demselben Begriff geführt werden.
Der virtuelle Assistent – von den Anfängen bis zur heutigen Entwicklung
Der VA existiert in den USA bereits seit Mitte der 90er Jahre („Virtual Assistant“) und mit der IAVA (International Association of Virtual Assistants) wurde 1999 die erste länderübergreifende Plattform für diese Berufsgruppe gegründet. Eine größere Verbreitung erfolgte jedoch erst seit der Jahrtausendwende und dem damit einhergehenden schnellen technischen Fortschritt (günstiges und flächendeckendes Breitbandinternet, mobiles Internet, leistungsfähige mobile Endgeräte wie Laptops, Tablets und Smartphones, …).
Im deutschsprachigen Raum wurde das Konzept erst relativ spät bekannt. Häufig wird in diesem Zusammenhang auf das Buch „Die 4-Stunden-Woche“ von Timothy Ferriss verwiesen, das 2008 auf dem deutschen Markt erschien.3) Dort stellt Ferriss VAs in den Mittelpunkt und beschreibt, wie ein eigenes Unternehmen mit wenig Aufwand geführt werden kann, indem ein Großteil der Aufgaben an VAs ausgelagert wird. Dies erhöhte den Bekanntheitsgrad und eröffnete auch im deutschsprachigen Raum einen neuen Markt. So starteten zwischen 2008 und 2010 in Deutschland die ersten Firmen, die VAs vermitteln, sowie neue Plattformen, auf denen diese sich austauschen und Kunden finden können.4)
Auch wenn es keine verlässlichen Zahlen gibt, scheint die Zahl der VAs im deutschsprachigen Raum seitdem deutlich gestiegen zu sein. Darauf deutet das wachsende Angebot an Vermittlern, Plattformen und Facebook-Gruppen in diesem Segment hin. Zudem lässt sich beobachten, dass mittlerweile viele (ehemalige) VAs eigene Kurse anbieten, um Menschen im Angestelltenverhältnis beim Übergang in die Selbstständigkeit als VA zu unterstützen.
Eine sich verändernde Arbeitswelt („Arbeit 4.0“) sowie ein wandelndes Verständnis von Arbeit spielen eine entscheidende Rolle beim Wachstum dieses Berufsfelds. Die Arbeitswelt wird mehr und mehr durch Digitalisierung und Vernetzung geprägt und mehr Menschen möchten zukünftig gerne ortsunabhängig arbeiten. Dies sind auf der einen Seite Menschen, die sich einen Heimarbeitsplatz wünschen (z.B. Mütter mit kleinen Kindern oder Menschen mit körperlichen Einschränkungen) und auf der anderen Seite digitale Nomaden, die den klassischen „Nine-to-Five“-Lebensstil ablehnen. Speziell das digitale Nomadentum stellt eine völlige Abkehr vom klassischen Berufsbild dar. Deren Anhänger wollen nicht nur selbstständig arbeiten, sondern vor allem ortsunabhängig sein und von weltweit wechselnden Orten aus arbeiten. Die digitale Nomaden-Bewegung ist mittlerweile auch in den Medien regelmäßig vertreten, es gibt Artikel und sogar Kinofilme. Darüber hinaus organisiert sich die Szene mehr und mehr und trifft sich beispielsweise jährlich auf dem „DNX Festival“ in Berlin, Deutschlands größter digitalen Nomadenkonferenz.
Vor dem Hintergrund, dass geschätzt 40% aller Jobs in Deutschland aus dem Home-Office ausgeführt werden können, besteht auch in Zukunft ein großes Potential für die weitere Ausbreitung des virtuellen Assistenten-Berufs.5)
1) Alexander Hagelüken: In deutschen Firmen herrscht eine Präsenz-Unkultur.
Süddeutsche Zeitung, München 2019.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/home-office-probleme-1.4500041
2) Patrick Bernau: Digitalisierung: „Deutschland hat den Anschluss verloren“.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurt am Main 2018.
3) Timothy Ferriss: Die 4-Stunden-Woche: Mehr Zeit, mehr Geld, mehr Leben.
Econ, Berlin 2008.
4) Zu den bekanntesten Plattformen gehörten:
- fernarbeit.net
- my-vpa.com
- strandschicht.de
- eassistentin.de
5) Karl Brenke: Home Office: Möglichkeiten werden bei weitem nicht ausgeschöpft.
DIW Wochenbericht 5 / 2016, S. 95-105. Berlin 2016.
https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.526036.de/16-5.pdf
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